Berichte, Geschichten und Andachten

Sabbath und Ruhe

Predigt zur Eröffnung der Allianzgebetswoche am 9. Januar 2022 im Dom zu Güstrow, Pastorin Anja Neu-Illg

 

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen

Sabbath ist das Thema der vor uns liegenden Gebetswoche der Evangelischen Allianz.
Warum, weiß ich nicht. Aber ich finde, es ist ein schönes Thema. Eine große Sache, die zu bestaunen sich lohnt. Wer weiß, was die Planenden im Sinn hatten? Haben sie vielleicht geahnt, wie erholungsbedürftig, müde und erschöpft wir sein würden Anfang 2022.

Ein Heft mit einem Jahresrückblick haben wir uns für 2021 nicht gekauft, für 2020 auch nicht. Lass uns das Jahr vergessen. Es zerfloss ohnehin alles zu einem großen Zeitbrei ohne große Höhepunkte und Unterbrechungen, keine großen Feiern, Reisen, Unternehmungen. Versuchen, wir uns zu erinnern, dann nicht an Jahreszeiten, sondern an Corona-Wellen oder Lockdowns. War das im ersten oder im zweiten? War das noch 2020 oder schon 2021. Egal.

Sabbat ist so ungefähr das Gegenteil von Homeoffice in Quarantäne, wo der Arbeitstag dadurch beendet wird, dass du die Jogginghose gegen die Schlafanzugshose tauschst. Das kann nur noch durch Quarantäne + Homeoffice mit Kindern gesteigert werden: Du versuchst, zu arbeiten, kommst zu nichts, ruhst dich aber auch nicht aus und bist froh, wenn du wieder zur Arbeit darfst, zur Erholung.

Sabbat ist der Aufhörtag.
Ein Geschenk Gottes an uns. Ein Geschenk zum Bestaunen, zum Annehmen und Auspacken.
Sabbath, das bedeutet: Aufhören, etwas zu tun. Heute klingt das Wort in Sabbatical oder Sabbath-Jahr noch nach, einfach mal aussteigen, aus dem Hamsterrad und schauen, wer man so ist jenseits von Arbeit und Tätigsein. Sabbath passt in die Reihe der Wörter vom Aufhören: Schluss, Ende, Sabbath, Sense, aus, finito, fertig, Feierabend, aus und gut.

Vom Sabbath ist schon auf der zweiten Seite der Bibel die Rede. Also nicht vom Substantiv Sabbath, aber das Verb: sabbathen, ausruhen, aufhören. Es heißt von Gott, dass er am siebten Tage der Schöpfung ruhte. Gott hörte auf, etwas zu tun und widmet diesem Umstand einen ganzen Tag. Und dann erst ist die Schöpfung fertig. Er vollendete die Schöpfung, indem er ruhte.

„So wurden vollendet Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer.
Und so vollendete Gott am siebenten Tage seine Werke,
die er machte, und ruhte am siebenten Tage von allen seinen Werken,
die er gemacht hatte. 3 Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken,
die Gott geschaffen und gemacht hatte.“ 1. Mose 2,1-3

Man könnte sagen, die Schöpfung war fertig am 6. Tag. Aber es gibt noch einen Bonus-Track, ein Geschenk obendrauf: eine Runde Nichts. Gott vollendet die Schöpfung, indem er ruht. Er hörte auf zu schaffen, er hörte auf, Räume, Bewohner, Gestirne, Zeiten, Spielräume, Licht, Leben, Natur, die ganze Welt alles was lebt, zu erschaffen - und hörte auf und feierte einen ganzen Tag lang die Zeit.

Am ersten Tag der Menschheit (am 6. Tag geschaffen) passiert also erstmal: Gar nichts. Hallo Mensch, da bist du ja. Komm erstmal an. Du darfst einfach nur da sein. Nicht der Mensch ist die Krone der Schöpfung, sondern der Sabbath. Aber, da passiert doch nichts, das soll die Krönung sein? - Es wird nichts erschaffen, nichts ins Werk gesetzt, keine Arbeit getan, nichts weiterbewegt, kann man aber sagen, dass in diesem Nichts-Tun nichts geschieht?

Die Pause gehört zur Musik dazu.
In ihr geschieht auch etwas, auch, wenn es erstmal nicht weiter geht. Auch zu jeder guten Geschichte, gehört der Moment, wo sie nicht weitergeht, wo du dich als Leser erholst und im Moment verweilst, der Moment des Stillstands, in dem nachklingt: Was war das jetzt? Die Geschichte steht still und lädt zur Betrachtung ein. Was war bis hierhin? Was ist jetzt.

In der Weihnachtsgeschichte ist im Allgemeinen viel Gerenne. Leute sind unterwegs, jedermann unterwegs, von Nazareth nach Bethlehem, vom Feld zum Stall, vom Himmel zur Erde, aus dem Morgenland nach Judäa. Aber zu jeder guten Geschichte gehören die Momente, an denen sie nicht weiter geht. Wo einfach alles stehen bleibt. Z.B. bei den Hirten auf dem Feld heißt es: „Und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie.“ Das ist soein Moment. Da ist nur Leuchten, da bleibt erstmal alles stehen.// Oder als es heißt: „Und sie fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe.“ Ein Kind finden und ansehen, da bleibt schonmal die Zeit stehen. Ein schlafendes Neugeborenes ansehen, da gibt es nichts Wichtigeres, nichts anderes, da bleibt die Zeit stehen und alles andere wird unwichtig. Oder der Stern, dem die Weisen folgten, irgendwann taucht er wieder auf und bleibt stehen über dem Stall. Und als sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut. Das ist ein Moment, da ist nur Freude, nichts anderes. Und schließlich, die Weisen, von denen es heißt: „Und sie beteten es an.“ Das war nicht nur ein schnelles Gebet, das war ein Moment, eine Gegenwart, ein Aufhören mit allem anderen und nur noch da sein und den neugeborenen König anbeten.

Zu jeder guten Geschichte, gehört der Moment, wo sie nicht weitergeht, nicht voranschreitet. Der Moment, wo etwas nachklingen kann, wo etwas einfach angeschaut wird, wie es jetzt gerade ist, der Moment, wo wir es gut sein lassen, genießen und die Zeit vergessen und sie zugleich feiern. Sabbath.

Gott macht Pause, große Pause und erst das macht die Schöpfung vollständig.

Und dass Gott Pause macht, lädt uns ein, ebenfalls Pause zu machen. Es ist doch tatsächlich so: Wenn jemand viel schafft, viel macht, viel tut, viel in die Welt setzt, und der macht Pause, einen ganzen Tag – ganz nebenbei gibt er dadurch ja allen andern die Gelegenheit und Erlaubnis, es ihm nach zu machen, ohne irgendein Gebot.

Wenn dagegen der Chef schon vor dem Aufwachen am Arbeitsplatz ist, keinen Feierabend kennt und wenn auch am Sonntag Licht aus dem Chefbüro kommt, und Mails am Sonntagnachmittag dann ist das ein Signal an alle: Das erwarte ich auch von euch.

Unser Schöpfer ist ja nicht erschöpft und müde, er schafft Räume, bannt die Chaosmächte, schafft die Grenzen und die Möglichkeiten, Spielräume, Licht, Leben, Natur, alles, was lebt, dich, mich – und als Krönung: Sabbath. Er erschafft das Aufhören. Nichts. Nicht, dass nichts geschehen würde, aber dass wir nicht weiter tätig sind, nicht weiterlaufen, schaffen, machen. Und Zeit haben zum Schauen.

Einmal auf die Woche sehen: Was habe ich geschafft, geschaffen. Kann ich es gut sein lassen, die Früchte genießen, mich daran freuen, begreifen, dass ich endlich bin und also auch einmal aufhören? – Weil sowieso alles einmal aufhört.

Das Geschenk des Sabbaths auspacken ist:

Aufhören üben. Schauen. Es gut sein lassen. Das Geschenk des Sabbaths erinnert uns daran, dass Quelle und Grund unserer Existenz nicht das ist, was wir selbst tun, sondern, was Gott tut. //
Wir sind eingeladen zu schauen – nicht nur, was wir geschafft haben, sondern, was geschaffen ist und können uns so auch selbst als Geschöpfe begreifen.

Unter uns gibt es Bibelverse, die nicht in der Bibel stehen, wie z.B. Müßiggang ist aller Laster Anfang. Dabei ist Muße die Vollendung eines Werkes und Quellgrund für neue Ideen.
Oder: Sich regen bringt Segen.  – Dabei segnete Gott den siebten Tag und heiligte ihn – machte ihn zu etwas besonderem, weil er an ihm ruhte.

Wir sollten nicht beschäftigter sein als Gott. Wenn er am siebten Tage ruhte, sollten wir nicht immer weiter laufen. Der Aufhörtag ist ein Geschenk. Wir können aufhören, das Tätigsein beenden oder unterbrechen. Das Aufhören gibt uns die Gelegenheit, aufzuhorchen und zu hören: „Und so vollendete Gott am siebenten Tag seine Werke, die er machte und ruhte am siebenten Tag von allen seinen Werken.“ Amen


Spielkirche neu gestartet

mit neuem Bastelraum

am 18. September 2021



"Herr, deine Güte reicht so weit der Himmel ist. Und deine Wahrheit so weit die Wolken gehen." Psalm 36,6

Gedanken zum Sommerpsalm von Pastorin Anja Neu-Illg


Der Sommerhimmel ist größer und die Wolken im Sommer sind anders. Wir laden euch ein, nach oben zu schauen, und während die Wolken vorbei ziehen, an die Güte Gottes zu denken. Unser Psalmwort zieht in die Höhe des Himmels und in die Weite einer Wolkenreise. Es durchschreitet den Raum in der senkrechten und in der Waagerechten. Es weitet den Blick über die Trugbilder des Alltags hinaus und lädt uns ein, uns der Wirklichkeit zuzuwenden, die unser Leben trägt: die Güte Gottes. Deine Güte. Nicht: „Meine Güte, meine Güte.“

Die beiden Zeilen unseres Verses sind gereimt als Sinnreim. Das lässt sich besser merken und singen. Dabei stehen sich Wahrheit und Güte im Alltag oft gar nicht so nahe. Oft ist es eher so: Sage ich die Wahrheit (oder was ich dafür halte), ist es nicht gütig. Spreche ich gütig, verzichte ich auf das Sagen der Wahrheit. Beides zusammen ist selten. Einen Versuch ist es immer wieder wert, denn das ist es, was das Leben fördert.

Am Kreuz von Jesus sehen wir beides: Güte und Wahrheit. Wir sehen die Güte Gottes, der sich lieber selbst hingibt, als die Menschheit zu verdammen. Und wir sehen die Wahrheit, die das Kreuz über uns sagt: Wir sind erlösungsbedürftig und zutiefst geliebt.

„Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist,

 und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen.“

Wie weit ist der Himmel? Weiter als der Punkt bis zu dem wir einen Luftballon mit den Augen verfolgen können. Wie weit gehen die Wolken? Weiter als bis zu dem Punkt am Horizont, den man von hier aus sehen kann. Gottes Güte und Gottes Wahrheit reichen weit, weiter als wir denken oder für möglich halten. Denkt einmal daran, wenn ihr den Wolken beim Ziehen zuseht.


Ist Gott ein Mann ? - Gedanken über ungewohnte Bilder

Weltkarte: Aus europäischer Sicht auf den Kopf gestellt
Quelle: weltgebetstag.de

In der Gottesdienstordnung für den Weltgebetstag 2021 hieß es vor dem Vaterunser: „Wir beten gemeinsam zu Gott, für uns Vater und Mutter: …“ Diese Formulierung der Frauen aus dem Inselstaat Vanuatu wirkt ungewohnt. Doch nicht alles Ungewohnte ist auch unbiblisch.

 

Die Bibel spricht von Gott auch in weiblichen Bildern: Gott tröstet, wie eine Mutter tröstet (Jesaja 66,13). Wie eine Bärenmutter wendet sich Gott zornig gegen alle, die ihren Jungen Böses antun wollen (Hosea 13, 8). Oder der auferstandene Jesus Christus wird mit einer stillenden Mutter verglichen (Matthäus 23,37). Gott schreit wie eine gebärende Frau (Jesaja 42, 14). Oder Gott ist wie eine Hebamme, die neuem Leben zum Durchbruch verhilft (Psalm 22, 10).

 

Das Wort Vater für Gott steht in der Bibel häufiger. Und auch von Jesus wissen wir, dass er Gott als Vater angeredet hat. Ist Gott darum ein Mann? Wir sind uns wohl einig, dass „er“ weder ein Mann, noch eine Frau ist.
Es ist zulässig, von Gott als Mutter zu sprechen, denn er spricht sogar selbst so von sich. Wichtig ist, das Bild der Mutter nicht zu vergötzen, das vom Vater allerdings auch nicht. Gott ist nicht das Bild, das wir uns von ihm machen, denn er ist Gott und kein Mensch. Und doch ist unsere Sprache eben menschlich und begrenzt. Von Gott auch als Mutter zu reden, erweitert die engen Grenzen, die durch das gewohnte Vaterbild gesetzt sind.

Das ist für mich ein ähnlicher Effekt, wie er auch durch die „verkehrte“ Weltkarte aus Vanuatu entsteht. Denn wer hat eigentlich festgelegt, wo auf dieser Welt „oben“ ist und wo „unten“? Aus der Sicht der Menschen im Südpazifik sieht die Welt eben so aus, wie hier abgebildet.


Ist diese Darstellung falsch? Nein. Sie ist nur ungewohnt.

Und wir können von ihr etwas lernen, über uns und andere.
ANI


Stadtfestgottesdienst auf dem Domplatz 13. Juni 2021

Pastor Jens-Peter Schulz von der Pfarrkirche Sankt Marien auf dem Weg zur Predigt über umstürzende Mauern. Unsere Gemeinde hat sich mit einer Lesung des Psalms 103 beteiligt. Im Hintergrund ist die Gehörlosengemeinde mit einer Gebärdendolmetscherin zu sehen und musikalisch wurde der Gottesdienst von den Bläsern und einer Band begleitet. Für das Glockengeläut während des Vaterunsers sorgte die katholische Kirche.